Von Stefan Petri
Zum zweiten Mal nach München im November 2022 ist die NFL zu Gast in Deutschland: Am Sonntag treffen in Frankfurt die Kansas City Chiefs und die Miami Dolphins aufeinander. Das bedeutet für die Teams und die Gastgeberstadt einen unglaublichen Aufwand, denn damit sich die Stars wohlfühlen, werden keine Kosten und Mühen gescheut. Bleibt die Frage: Führt das mittelfristig sogar zu NFL-Teams in Europa?
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NFL in Deutschland: Als Tom Brady eine Lederhose bekam
Rückblick: Als Tom Brady, seines Zeichens der größte Quarterback der NFL-Geschichte, im vergangenen November in München aufschlug, bekam er auf der Pressekonferenz zwei Tage vor dem Spiel ein ganz besonderes Präsent überreicht. Eine Lederhose, speziell für ihn angefertigt mit dem Buccaneers-Wappen auf einem Hosenbein - und natürlich auch mit seinem eigenen "TB12-Logo". Der GOAT blickte zunächst etwas irritiert drein, freundete sich dann aber schnell mit dem Präsent an und hielt es stolz in die Kameras: "Wie würde ich damit auf dem Spielfeld aussehen?"
Brady trug die Lederhose natürlich nicht, doch sein Urteil fiel nach dem Gastspiel eindeutig aus: "Die Zuschauer haben es zu einem epischen Tag gemacht - zu einem der besten Tage in meiner Karriere."
Spätestens da war klar: American Football in Deutschland - das passt! Zumal der Kulturschock in München vergleichsweise klein war, schließlich stellt man sich Deutschland auf der anderen Seite des großen Teichs ohnehin wie ein riesiges Bayern vor, alle in Tracht, alle zwei Wochen Oktoberfest und so. Übrigens: Auch bei der Pressekonferenz von Dolphins-Coach Mike McDaniel am Mittwoch wurde das Klischee vom humorlosen Teutonen direkt bestätigt.
Mal sehen, ob in Frankfurt der Handkäs mit Musik und die Grüne Soß auch so gut ankommt. Naja, zumindest der Eppelwoi aus dem Bembel sollte es richten.
NFL in Deutschland: Die Teams wittern das große Geld
American Football in Deutschland - der Hype ist enorm. "Drei Millionen Tickets" hätte man für die Premiere in München verkaufen können, erklärte der Deutschland-Chef der Liga, Alexander Steinforth, vergangenes Jahr. In Frankfurt dürften es am Ende nicht viel weniger sein, beide Spiele waren praktisch sofort ausverkauft.
Die NFL spricht von 3,6 Millionen begeisterten NFL-Fans in Deutschland - unglaubliche 18 Millionen "Casual Fans" sollen es sein, sehr viele davon noch ohne feste Bindung zu einer Franchise. Diesen Markt will man anzapfen, besonders bei den Kansas City Chiefs. Der aktuelle Champion ist eines von fünf Teams mit exklusiven kommerziellen Rechten für Good old Germany, die Vorzeichen stehen mit Patrick Mahomes, Travis Kelce und einer gewissen Taylor Swift so gut wie nie.
Seit eineinhalb Jahren betreibe man schon Marketing in Frankfurt, erklärte Clark Hunt, Vorstandsvorsitzender der Chiefs. "Für uns als Franchise ist das perfektes Timing. Das wollen wir aggressiv ausnutzen." Rund eine Million Dollar habe sein Team in der Vorbereitung und für Fan-Events in Frankfurt ausgegeben. Highlight: eine eigene Yacht in Teamfarben, die "ChampionShip". Das soll sich am Ende lohnen: Beim Spiel in München wurde angeblich mehr Umsatz gemacht als bei den Gastspielen in London.
NFL in Europa: Tonnenweise Logistik und eigenes Klopapier
Es geht aber nicht nur um Kommerz, sondern auch um sportlichen Erfolg. Und dafür bringen die Teams so ziemlich alles mit, was sie besitzen - man will es ja auch bequem haben. Dabei unterscheidet sich das Abenteuer Frankfurt nicht groß von London, womit ja schon einige Teams Erfahrung gesammelt haben. Bis zu 160 Personen sitzen im eigens angemieteten Privatflieger, lediglich die New England Patriots haben zwei eigene Teamflugzeuge.
Was sich nicht im Frachtraum verstauen lässt, wird schon im August per Frachtschiff transportiert. Zehn Tonnen und mehr pro Team, vom eigenen Wasser über Elektronik, die sportliche Ausrüstung bis hin zu Sonnenblumenkernen. Oder auch eigenes Toilettenpapier - das in London war den Stars zumindest zu dünn. Das kann man alles für wahnsinnig übertrieben halten. Aber das Geld für derlei Operationen ist da und ein Sieg in der National Football League eine Menge wert.
NFL in Europa: Die Zeitverschiebung ist das Problem
Große Distanzen ist man in der NFL gewohnt, ebenso die unterschiedlichen Zeitzonen in den USA. Von Miami nach Seattle etwa sind es fast 4.400 Kilometer Luftlinie und damit knapp mehr als von Berlin nach Katar. Da könnte man auch schon von Jetlag sprechen.
Miami nach Frankfurt ist aber noch einmal doppelt so weit, dazu kommen die sechs Stunden Zeitunterschied - eine mehr als in London. Das Problem ist dabei nicht nur das Spiel in Europa - sondern auch die Rückkehr und die darauffolgende Partie (man kann sich nach dem International Game immerhin eine Bye Week wünschen). Wie schafft man es, dass der Trip nicht die halbe Saison aus dem Ruder laufen lässt? Vielleicht ist es kein Wunder, dass es in London schon das eine oder andere überraschende Ergebnis gab ...
Natürlich wurde in der Liga über die Jahre fleißig an diesem Problem getüftelt. Möglichst früh anreisen und sich akklimatisieren? Oder die biologische Uhr erst gar nicht umstellen und mehr nach dem "Rein-und-raus-Prinzip" verfahren? Dass man sich da noch längst nicht einig ist, zeigt die Tatsache, dass die Dolphins schon am Dienstagmorgen in Frankfurt ankamen - die Chiefs aber erst am Freitag erwartet werden.
NFL in Deutschland: Was ist mit dem Rasen?
Die Probleme enden nicht, wenn man aus dem Flieger aussteigt: Auch der Untergrund kann für Ärger sorgen. "Deutschland war der schlechteste [Platz], auf dem ich je gespielt habe. Es war eine tolle Erfahrung, aber der Platz selbst war unglaublich schlecht und gefährlich", sagte Receiver Mike Evans von den Tampa Bay Buccaneers nach seinem Gastspiel in der Allianz Arena. "Man konnte dort keine Routen laufen. Es war schlimm. Hoffentlich bringen sie das in Ordnung".
Nun ist die Münchner Arena jetzt nicht für den schlechtesten Rasen in Deutschland bekannt (sonst hätten sich die Bayern beim 1. FC Saarbrücken vielleicht auch etwas leichter getan). Aber Football ist eben nicht gleich Fußball. Die Ansprüche sind andere, die Spieler sind anderes gewohnt. Ein Trost für den Geenkeeper der Bayern: Bills-Superstar Von Miller motzte vor einigen Wochen ähnlich stark über den Platz im Tottenham Hotspur Stadium, obwohl es da bekanntlich einen eigenen Untergrund eigens für die NFL-Partien gibt: "Ich konnte nicht glauben, dass Spitzenathleten tatsächlich auf sowas gespielt haben. Völlig verrückt."
In Frankfurt reagierte man auf die Bitte, "dass es dieses Jahr einen anderen Rasen geben soll." (Zitat Steinforth) Im Stadion wurde zwei Wochen vor dem ersten Spiel ein neuer Hybridrasen verlegt, um ein möglichst reibungsloses Spiel zu garantieren und die Verletzungsgefahr zu minimieren. Mal schauen, wie das Urteil der Stars ausfallen wird.
NFL in Europa: Die Spieler sind (nicht) begeistert
All diese Anstrengungen garantieren dennoch nicht, dass unter den Spielern Begeisterung herrscht, wenn der Spielplan ein Auswärtsspiel in Europa enthüllt. "Natürlich ist es zum Kotzen, dass wir neun Stunden für ein Heimspiel reisen müssen, wenn das Arrowhead Stadium gleich um die Ecke ist", moserte Chiefs-Receiver Marquez Valdes-Scantling unlängst bei CBS Sports. "Natürlich haben wir Fans in der ganzen Welt. So haben sie die Möglichkeit, einige ihrer Lieblingsspieler spielen zu sehen", gab er zu. "Aber für die Spieler ist es nicht schön, wenn sie von ihren Familien getrennt sind." Und außerdem müsse er nun eine Betreuung für seine Hunde finden.
Unabhängig davon, dass das ja wohl auch für die US-internen Auswärtsspiele der Fall ist, kann man es Valdes-Scantling nicht verdenken, wenn der Trip für ihn weniger Spaß und vor allem Stress bedeutet. In der Marketing-Abteilung der Chiefs dürfte sein Zitat dennoch Schnappatmung ausgelöst haben. "Denk doch an die 18 Millionen Fans, Marquez! Die werden sonst alle Dolphins-Anhänger!"
NFL in Europa: Wann gibt es eine europäische Franchise?
Zeitverschiebung, enormer logistischer Aufwand und unwillige Stars: Damit dürften dann auch schon die Hauptgründe für die Tatsache gefunden sein, dass eine NFL-Franchise in Europa noch nicht in Sicht ist. Okay, und vielleicht liegt es auch am Namen: National Football League.
Als die NFL vor 16 Jahren ihr erstes Regular-Season-Game in London austrug, wussten viele Zuschauer im Stadion noch nicht, in welcher Situation sie zu jubeln beziehungsweise zu buhen haben. Diese Zeiten sind lange vorbei und so dachte man zwischenzeitlich an eine Expansion schon im Jahr 2022. Daraus wurde nichts, abgehakt sind die Pläne allerdings noch lange nicht. Wahrscheinlicher sind aber erst Auftritte in anderen Märkten wie etwa Spanien - dort hat man bereits das Santiago Bernabeu und das Wanda Metropolitano in Madrid gescoutet. Brasilien und Australien stehen ebenfalls auf der Liste.
Konkreter ist aktuell ein Super Bowl in London. Diese Idee habe man bereits diskutiert, bestätigte Commissioner Roger Goodell im Oktober. "Das ergäbe auf jeden Fall Sinn", bestätigte eine Quelle aus der NFL gegenüber ESPN, ein konkretes Momentum gibt es jedoch noch nicht. Schließlich ist der Super Bowl in der jeweiligen Gastgeberstadt ein enormer Wirtschaftsbooster, darüber hinaus werden neue Stadien gerne mal mit einem Super Bowl beschenkt. Auch das kann also noch eine Weile dauern.
NFL in Deutschland: Ein zweites Mal "Country Roads"?
Fans in Deutschland beziehungsweise Europa müssen sich also vorerst weiterhin mit Regular Season Games zufriedengeben. Aber auch mit diesen kann man in den USA richtig Eindruck hinterlassen. Als in München im vergangenen November das komplette Stadion "Country Roads" schmetterte, rieben sich die mitgereisten Journalisten verwundert die Augen.
Peter King, Legende unter den NFL-Reportern, schickte anschließend noch aus dem Stadion ein Video: "Warum sollte die NFL nicht kommen", fragte er? "Warum nicht zwei von den 272 Spielen der Regular Season in Deutschland austragen, wo die Fans verrückt nach Football sind?" Sprach's und sagte damit gleich zwei Spiele für 2023 in Deutschland voraus, was sich am Ende auch bewahrheitete.
Author: Cynthia Smith
Last Updated: 1702947482
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